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Gutachten
G u t a c h t e n

über den Selbstladekarabiner „US Carbine Caliber .30 M 1, Waffennummer 5255290


Dieses Gutachten dient der Kaufberatung von Sammlern und Sportschützen.

Geschichtlicher Hintergrund der Entwicklung

Schon Anfang der zwanziger Jahre kurz nach Ende des 1. Weltkrieges gab es in den amerikanischen Streitkräften Bemühungen eine so genannte „Allround-Bewaffnung“ für die hinteren Dienste wie Fernmelder, Fahrer, Kradmelder und Hilfskräfte einzuführen. Es sollte eine Waffe sein, die das Sturmgewehr M 1 und auch die Pistole 1911 ersetzte und eine Reichweite von 300 Yard abdeckte. Doch erst 1937 setzte der Chef der Infanterie, Generalmajor George A. Lynch, diese Anforderung durch und es erfolgte eine Ausschreibung. Chefkonstrukteur bei Winchester Edwin Pugsley hatte Anfang 1941 ein Sportgewehr auf der Basis der gerade neu entwickelten Patrone .30 Carbine fertig gestellt, das der Army vorgelegt wurde und dem späteren Erfolgsmodell sehr ähnlich war. Die Versuchskomission war von dieser Konstruktion beeindruckt und forderte ein zweites, verbessertes Modell an. Da dieses zweite Versuchsmuster Funktionsstörungen aufwies holte man den Techniker undEx-Häftling David M. Williams (wegen Schwarzbrennens und Tötung eines Polizisten bei der Festnahme verurteilt) als Entwicklungsleiter ins Boot, der diese Waffe auf das von ihm erfundene Short-Stroke-Gassystem umbaute und zusammen mit Pugsley, Fred Humeston und William Roemer zur Serienreife brachte. Am 22. Oktober 1941 wurde dieses Gewehrchen als „Carbine Caliber .30 M1 standardisiert. Bis August 1945 entstanden mehr als sechs Millionen dieser Waffe in 10 Unternehmen und etwa 1600 Zulieferern. Darüber hinaus wurden rund 100.000 Stück der Fallschirmjäger-Ausführung M1A1 mit Klappschaft gefertigt; außerdem rund 200.000 Exemplare der wahlweise Dauerfeuer schiessenden Ausführung M2. Dazu kam das Modell M3 (T3) ohne Kimme aber dafür mit einem Infrarot-Nachtsichtgerät. Nach Ende des II. Weltkrieges wurde dieser Karabiner noch in vielen Staaten rund um den Globus bei Militär und Behörden eingesetzt, so auch bei der deutschen Polizei und der Bundeswehr. Erst 1957 wurde der Carbine .30 M1 zusammen mit dem Garand M1, mit dem er vielfach verwechselt wurde, von dem neuen Dienstgewehr M 14 bei den US-Streitkräften, abgelöst.


Technische Daten der vorliegenden Waffe
Hersteller: Inland Division of GM, Dayton, Ohio
Kaliber: .30 M 1 (7,62 x 33)
Waffennummer: 5255290
System: Gasdrucklager mit Drehriegel
Lauflänge: 454 mm
Züge/Richtung: 4 rechts
Gesamtlänge: 905 mm
Gewicht: 2430 g
Visierung: Lochkimme mit Rampe zur Höhenverstellung, seitliche Korrektur mit
Rändelschraube (defekt)
Magazin: M 1 Stangenmagazin mit Kapazität von 15 Patronen
M 2 Kurvenmagazin mit 30 Schuss



Da die verstellbare Visiereinrichtung defekt war, wurde diese aus der Keilnutbefestigung mit Hilfe eines Drückgerätes entfernt und eine ZF-Montage mit Weaver-Profil im Keil mit einer Festklemmschraube angebracht. Diese Befestigung stellte sich aber als nicht brauchbar heraus, so dass eine Bohrung im Keil angebracht wurde und diese nach Schnitt eines Innengewindes mittels einer längeren Gewindeschraube dauerhaft montiert wurde (siehe Bild nächste Seite).


Zum Zerlegen wird der sich vor dem Sicherungshebel auf dem Abzugsbügel befindende Magazinhalter gedrückt, das Magazin entnommen und das Patronenlager entleert, bzw. kontrolliert.


Die Schaftschraube am Schaftring wird gelockert, nach Eindrücken der Verriegelungsfeder wird der Schaftring abgezogen. Den Handschutz abnehmen und System aus dem Schaft heben. Die Verschlussfeder mit der Führungsstange nach hinten ziehen, Gasstange, Verschlussträger und Spanngriff aus dem Block aushängen und nach vorn herausziehen. Kammergriff zurückziehen, an der Zerlege-Ausfräsung seitlich vom Gehäuse abziehen und den Block abnehmen. Den Bolzen des Abzugsgehäuses vorn am Gehäuse herausziehen und Abzugsgruppe entnehmen, Verschluss vorn aus dem Verschlussträger nach oben herausziehen.
Zum weiteren Zerlegen des Verschlusses ist ein Spezialwerkzeug oder eine dritte Hand erforderlich.


Abzugsgehäuse mit Abzugsgruppe

Nach dem Zerlegen bleiben nur einige wenige Teile aus denen diese Waffe besteht:
- Lauf mit Verschlussgehäuse, Schaftring und Visiereinrichtung
- Abzugsgehäuse mit Abzugsgruppe
- Verschluss mit Vorholfeder und Führungsstange
- Spannschieber mit Führungsblock
- Gaskolben und Gaskolbenbüchse
- Hinterschaft, Handschutz und Magazin 


Die Rückstossplatte ist mit einer längeren Schraube und einer Gewindebuchse hinten im Schaft verschraubt und dient dem System als Gegenlager (hier nicht entnommen).


Spannschieber mit Führungsblock, Vorholfeder und Führungsstange

Funktionsprinzip
Der Selbstladekarabiner Carbine M 1 ist ein Gasdrucklader mit angebohrtem Lauf und starr verriegeltem Drehzapfenverschluss. Die Bohrung befindet sich etwa in der Mitte unten am Lauf. Ein Teil der Pulvergase strömt durch das kleine Loch und drückt den Gaskolben eine kleine Strecke nach hinten. Dieser Weg ist nur ca. 8 mm lang (daher auch die Bezeichnung „Short-Stroke-System“). Der Gaskolben betätigt den Verschluss über ein Gestänge, das sich rechts vom Lauf befindet. Dabei wird der Verschlusshebel über diesen Weg (8 mm) zurück bewegt. Der Verschluss wird dabei gedreht und dadurch entriegelt. Anders als beim Garand- Gewehr befindet sich die Schließfeder, hier Vorholfeder genannt, zwischen Gehäuseende und Gestänge rechts neben dem Verschluss


Bewertung
Die vorliegende Waffe dürfte aufgrund der hohen Seriennummer (über 5 Mio.) Anfang des Jahres 1944 gefertigt worden sein. Dafür spricht auch, dass ab September/Oktober 1944 das Modell M 2, eingerichtet für Einzel- und Dauerfeuer, in Serie gefertigt wurde. Auch der M 3 für Scharfschützen ( Modell M 2 mit Nachtsichtgerät), diese erhielten auch die Bezeich- nung T 3.
Der Erhaltungszustand dieser Waffe ist mit gut bis befriedigend zu beurteilen. Der Lauf ist innen leicht rau wie bei vielen ehemaligen Militärwaffen, jedoch sind Züge und Felder klar und scharf gezeichnet. Die Originalbrünierung ist gut erhalten, Roststellen und Rostnarben sind nicht erkennbar. Die Schaftteile aus Holz sind ohne größere sichtbare Schäden und Reparaturen. Lediglich im Bereich der Rückstossplatte ist eine kleine fachlich sauber ausgeführte Reparatur des Schaft- holzes sichtbar.
Ein englisches Beschusszeichen der Beschussanstalt Birmingham für den Beschuss mit rauch- losem Pulver (Krone mit BNP) ist linksseitig auf der Hülsenbrücke des Laufes eingeschlagen.

Nach Austausch der defekten Visierung gegen eine Festmontage mit Weaverschiene und An- bringen eines Zielfernrohres mit einer Vergrößerung von 2-6 x 28 wurde die Waffe mit fabrik- mäßig hergestellten Patronen von Remington und IMI eingeschossen. Dabei wurden mehr- fach Störungen der Selbstladefunktion festgestellt.
Nach Tausch der Vorholfeder und Reinigung der Gasbohrung und des Verschlusses verbesserte sich die Ladefunktion.
Nach vielen Testen verschiedener selbstgefertigter Laborierungen konnten zufriedenstellende Schießergebnisse erzielt werden. Streukreise von 6 cm auf eine Schussentfernung von 50 Meter wurden erreicht. Jedoch blieb festzustellen, dass der Erstschuss aus dem Magazin die Treffergruppe deutlich öffnete.

Der Wert dieser Sport- und Sammlerwaffe wird auf 550 Euro veranschlagt.



Fazit

Als Sammlerwaffe dürfte der Carbine Caliber .30 M 1 aufgrund der hohen Fertigungszahlen nur ideellen Wert haben. In Sammlungen über amerikanische Infanteriewaffen gehört er allerdings unbedingt dazu.
Für Sportschützen ist er für die Liebhaber von Disziplinen auf kurze Entfernungen zu empfehlen, hier sind allerdings die Wiederlader gefordert.




Literaturverzeichnis:

- „Enzyklopädie der Infanteriewaffen“ von Reiner Lidschun und Günter Wollert
- „Selbstladegewehre für Sport und Jagd“ von Frank Weissert
- „Waffen im 1. und 2. Weltkrieg“ von Dörfler

Dieses Gutachten wurde unabhängig und frei von Weisungen erstellt.


Hans-Günter Finkler